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Die Gangsterbraut vom Heutal

Wie Virginia Hill nach Unken kam

Sie muss wohl eine atemberaubende, betörende Frau gewesen sein. Eine, der die Männer reihenweise zuflogen. Die Rede ist von der Amerikanerin Virginia Hill, Drogenschmugglerin, Geliebte von den höchsten Mitgliedern der ‚ehrenwerten Gesellschaft‘ und nach eigenen Angaben die ‚größte Gangsterbraut aller Zeiten‘. Das ist die eine Seite. Sie war aber auch liebevolle Mutter und Ehefrau des Salzburger Skipioniers Hans Hauser. Gemeinsam mit ihrer kleinen Familie lebte sie einige Jahre ihres Lebens auch im Unkener Heutal und ging für die beiden schließlich in den Tod.

Schon früh werden die Männer auf die 1916 in Alabama geborene dunkelhaarige Virginia Hill aufmerksam. Es sind die Jahre der Prohibition in den USA. Das Geld wird zentnerweise verdient und von den Bossen in den freizügigen Nachtclubs Chicagos ebenso wieder ausgegeben. Hier beginnt die Geschichte von Virginia Hill, die an einem tristen Frühlingstag 1966 unweit der Stadt Salzburg in Österreich ihr trauriges Ende nehmen wird.

Jung, schön, fordernd und mit all jenen Attributen ausgestattet, die nötig sind, um Männer um den Verstand zu bringen, tanzt sie sich zuerst ins Bett und dann ins Herz von Nat Coiner, dem Buchmacherkönig und Finanzchef der Mafia Chicagos. Gutbezahlte Jobs im Rauschgifthandel folgen und machen aus der Hill eine wohlhabende Frau, die von ihren Bewunderern zeitlebens ‚Flamingo‘ genannt wird. Und als wäre das nicht genug, wird sie die Geliebte des Paten Bugsy Siegel, dem Mann, der Las Vegas gründete.

Virginia Hill liebt es sich zu vergnügen, im Luxus zu versinken und die bewundernden und auch neidischen Blicke der Society auf sich zu spüren. Dafür ist sie mittlerweile tief im Sumpf der Mafia versunken. Im Sommer trifft man sich in den Städten und am Strand, im Winter zum Skifahren in den Bergen. Das Schicksal will es wohl so, dass sie dort einen der besten Skifahrer seiner Zeit kennen und lieben lernt. Hans Hauser ist Österreicher, von der Zistelalm oberhalb der Mozartstadt abstämmig und erster Salzburger Hahnenkammsieger im Slalom und in der Kombination. In die USA ist er als Skilehrer gekommen und arbeitet bei seinem Freund und Skipionier Otto Land in Sun Valley. Eines Tages taucht eine junge, dunkelhaarige Schönheit in seinem Kurs auf. Es muss wohl Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden sein, denn kurze Zeit später, im Frühling 1950, läuten auch schon die Hochzeitsglocken. Als im November desselben Jahres dann auch noch Sohn Peter zur Welt kommt, scheint das Glück der jungen Familie perfekt.

Die Schlinge zieht sich zu

Das Jahr 1951 ist kein gutes für die amerikanische Mafia. Immer dichter zieht sich die Schlinge seitens der Polizei und der Justiz um die ehrenwerte Gesellschaft, und als Virginia dann auch noch als Zeugin beim großen Kefauver-Prozess in New York geladen wird, häufen sich wohl die schlaflosen Nächte der ‚Gentlemen‘. Der Prozess wird erstmals in den USA von allen großen Fernsehanstalten direkt übertragen. Doch Virginia hält dicht. Und der Dank der Mafia ist ihr zumindest im Augenblick sicher.

Ruhe kehrt damit jedoch ganz und gar nicht in das Leben der Familie ein. Eigentlich geht es jetzt erst so richtig los mit den Problemen. Die Medien stürzen sich auf Hill und ihren ‚kleinen‘ Skilehrer aus dem fernen Austria. Ein normales Leben ist so gut wie unmöglich. Nachdem sie auch immer intensiver von der Steuerbehörde verfolgt wird und zunehmend Fragen gestellt werden, auf die sie keine Antwort geben kann, gibt es nur mehr einen Ausweg: die Versteigerung der Besitztümer, der überhastete Umzug nach Europa, nach Hause zu Hans‘ Mutter auf die Zistelalm am Salzburger Gaisberg.

Die Lage ist alles andere als rosig und Virginia so gar nicht geschaffen für das Leben auf einem österreichischen Bergbauernhof. Als Ausweg nimmt sie schließlich ein Angebot von Nat Coiner an, wieder für ihn zu arbeiten.

Zurück ins alte Leben?

In den Staaten läuft es jedoch immer schlechter für Virginia Hill. Mittlerweile ist sie Mutter eines Sohnes, Ehefrau eines Niemands. Die Schönheit verblasst, die Jugend vergangen und andere Frauen von ihrer Sorte haben ihren Platz eingenommen. Als nach kurzer Zeit auch noch Nat Coiner seine Zahlungen an sie einstellt, besteigt sie ein Flugzeug und reist mittellos zurück nach Salzburg. Wo sie von Hans wieder einmal mit offenen Armen empfangen wird.

Mit einem Brief an Mafioso Coiner, in dem sie ihm 1963 droht, all ihr Wissen, all das Erlebte in ihren Memoiren niederzuschreiben und so die Verstrickungen der Cosa Nostra im Drogenhandel offenzulegen, stellt sich jedoch alles andere als der erhoffte Geldsegen ein. Der Mafiaboss reist sofort nach Salzburg und steigt im Österreichischen Hof am Ufer der Salzach ab. Einem Wink des Schicksals ist es wohl zu verdanken, dass genau an jenem Tag ein Freund der Familie Hauser, der Chefportier, Dienst hat und in der Zistelalm Alarm schlägt. Die Flucht beginnt.

Die Jahre in Unken

Und endet vorläufig im Unkener Heutal. Genauer gesagt, am Fuße des Sonntagshorns, wo Hans‘ Bruder die Sigrist Hütte besitzt. Schnell nistet sich die kleine Familie ein, Hans genießt das Leben in den Bergen und auch Peter scheint es an nichts zu fehlen. Nur Virginia lebt in ständiger Angst, lässt kaum zu, dass die Fensterläden geöffnet und die Türen unversperrt sind. Sie weiß zu genau, wozu die Mafia im Stande ist. Hans versteht die Ängste nicht und fährt bald wieder zurück auf die Zistelalm, um seiner Arbeit nachzugehen. Seine Frau bleibt und macht sich daran, wie angedroht ihre Geschichte auf Papier zu bringen. Fast drei ganze Jahre lang, in denen man sie selten zu Gesicht bekommt, wie so manch älterer Unkener heute noch zu erzählen weiß. So richtig passt sie nicht hierher. Wenn sie nicht am Schreiben ist, sonnt sie sich im Bikini vor der Hütte und genießt es, dass die Bauern sie ‚heimlich‘ vom Waldesrand aus beobachten. Sie kann wohl nicht aus ihrer Haut. Nur manchmal, wenn es ihr in der Abgeschiedenheit der Alm zu eng wird, taucht sie plötzlich im Alpengasthof Heutal auf. Plaudert mit Wirtin Maria Pichler in der Küche, trinkt gerne Rotwein. Dabei sollen auch wilde Partys gefeiert werden, bei denen Hill nicht selten plötzlich auf den Tischen steht und wild zu tanzen beginnt.

Als sie sich Anfang 1966 aufmacht, zurück nach Salzburg zu fahren, beginnen damit nicht nur ihre letzten Monate, sie verabschiedet sich auch für immer aus dem Heutal. Denn jetzt begeht sie den größten Fehler ihres Lebens: Sie nimmt Kontakt zu Lucky Luciano und Joe Adonis auf, mächtige Manager der Cosa Nostra und ehemalige Geliebte Virginia Hills. Beide wurden Mitte der 1950er Jahre aus den USA ausgewiesen und leben in Italien. Bei einem Treffen in Neapel bittet sie darum, wieder ins Rauschgiftgeschäft einsteigen zu dürfen. Man macht ihr Hoffnungen, wohlwissend, dass Hill die ehrenwerte Gesellschaft mit der Veröffentlichung ihrer Memoiren erpresst. Jacky „Two Black Shoes“ Tadori, ein Freund von Adonis, bringt Virginia zurück nach Salzburg. Eine Geste, die sie zu Beginn der Fahrt wohl noch erfreut. Dann jedoch dreht sich die Stimmung und ihr Fahrer setzt sie über seinen eigentlichen Auftrag in Kenntnis. Würde sie sich nicht innerhalb eines Tages mit den zuvor überreichten 20 Schlaftabletten selber töten, so werde er nach dem Leben von Hans und Peter trachten. Eine Ehre innerhalb der Mafia, die Chance zu haben, dem Leben selbst ein Ende zu setzen.

Ein Ende abseits des Rampenlichts

Damit ist Virginia Hills Schicksal besiegelt. Denn auch wenn sie zeitlebens wohl nicht die tugendhafteste Person gewesen ist, ihre beiden Männer liebt sie über alles. Und würde niemals zulassen, dass ihnen etwas passiert. Am 22. März 1966 treffen sich Virginia und Hans ein letztes Mal. Viel gibt es dabei wohl nicht zu sagen. Die wenigen Sätze drehen sich um die Ausbildung ihres Sohnes, aktuell Liftboy im Hotel Österreichischer Hof. Dann trennen sich die Wege der beiden für immer.

Liebend gerne würden wir an dieser Stelle davon berichten, wie Virginia Hill auch diesmal wieder ihren Hals aus der Schlinge ziehen kann. Doch leider. Als der Pensionist Franz Inzinger am nächsten Tag eine Person unterhalb des Weges am Alterbach liegen sieht, hält er sie noch für einen Betrunkenen und denkt sich nichts dabei. Erst am nächsten Tag verständigt er die Polizei.

Als offizielle Todesursache wird noch heute Selbstmord angegeben. Wie auch bei Hans Hauser, der acht Jahre nach seiner Frau erhängt in einem Lokal in der Salzburger Altstadt gefunden wird. Auch er hatte versucht, aus den Aufzeichnungen Hills Profit zu schlagen. Doch mit der Mafia spaßt man nicht.

Mehr anfassbare Geschichte findet Ihr im Regionalmuseum Unken:

Kalchofengut

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