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Kalchofengut

Das Regionalmuseum in Unken bietet angreifbare Geschichte der Region…

…heimatbezogene Besonderheiten und interessante Sonderausstellungen.

„Liebevoll gepflegt“, das ist mein erster Eindruck der alten Gemäuer, als ich mich vor dem Kalchofengut einfinde, welches noch heute im Originalzustand erhalten ist. Jeden Sonntagnachmittag öffnet der Museumsverein das alte Gut zu einer Führung. Die unterschiedlichen Pinzgauer Zauntypen – vom Stoahog, über den Pinzgauerzaun bis hin zum Stangenzaun – säumen den Parkplatz und vor dem Einhof verströmen frisch aufgetürmte Heumandln ihren würzigen Duft.

Viele kleine Details an diesem wunderschönen Bauernhof fallen mir gleich ins Auge. Im Geiste notiere ich mir, dass ich über die unter dem Schindeldach angebrachten Holzbretter, die jeweils mit Datum und Namen versehen sind, mehr erfahren will. Vor dem Kalchofengut treffe ich auf Josef „Sepp“ Auer vom Museumsverein, der gerade einer kleinen Gruppe von Gästen das Schindelmachen zeigt. „Für unser Dach werden rund 3 000 Schindeln benötigt, die alle paar Jahre wieder ausgewechselt werden“, erzählt er, während er dieses alte Handwerk vorführt.

Hölzerne Erinnerung an die Toten

Bevor die Führung durch das Regionalmuseum beginnt, nutze ich die Gelegenheit, um Sepp bei einem Kaffee auf der sonnigen Hausbank gleich nach den Holzbrettern zu fragen. „Das sind Totenbretter oder Leichenladen. Früher wurden die Verstorbenen erst noch daheim am Hof aufgebahrt und dann mit dem Pferdefuhrwerk zur letzten Ruhestätte gebracht. Für den Transport wurden sie auf ein Brett gebettet. Nach dem Begräbnis wurde dieses Brett mit einer persönlichen Inschrift versehen, und zur Erinnerung an den Toten an einen Heustadel oder eine Kapelle genagelt. Wenn man so will, war das der Vorläufer der heutigen Partezettel und Sterbebildchen“, erklärt uns Sepp.

Letzter Streckhof im Mitterpinzgau

Wir erfahren, dass der Einhof um etwa 1300 erbaut wurde und über 360 Jahre im Besitz der Bauernfamilie Haider vom Perchthof war. Später, bis in die 1960er-Jahre, fungierte der Bauernhof als Armenhaus, bis der örtliche Tierarzt Dr. Adler begann, den Hof für museale Zwecke zu adaptieren. „Heute ist das Gebäude im Besitz des Museumsvereins und wird als Regionalmuseum geführt. Das Besondere am Kalchofengut ist, dass es wohl der einzige noch im Originalzustand erhaltene Ein- oder Streckhof des Mitterpinzgaus ist – also ein Bauernhof, bei dem sich Stall und Wohnhaus unter einem Dach befinden. Die Rauchkuchl, die wir auf unserer Führung sehen werden, ist noch so, wie sie im 13. Jahrhundert erbaut wurde“, meint Sepp und neugierig folgen wir ihm zum Eingang.

Jedes Detail hat seine Geschichte

Schon an der Haustüre weist uns Sepp auf die nächste Besonderheit hin: „Der Türstock besteht aus Steinkonglomerat – ein Relikt aus der Eiszeit. Die Gletschermoräne, die einst das Saalachtal bedeckte, presste den losen Schotter zu Stein. Im nahen Steinbruch hat man früher aus diesem Konglomerat Mühlsteine erzeugt – oder eben auch diesen Türstock.“ Im Inneren des Guts empfängt uns angenehme Kühle und es scheint, als könnten die dicken Gemäuer viel erzählen. In jedem Winkel erblicke ich interessante Details, und auf all unsere neugierigen Fragen hat Sepp eine Geschichte zu den historischen Gegenständen parat. So erfahren wir, dass mit der kleinen gusseisernen Mautkasse vor 1816, als Salzburg noch nicht zum damaligen Kaiserreich Österreich gehörte, bei den Durchreisenden im Ortszentrum von Unken die Maut abkassiert wurde.

Von Stelzentänzern und Kriegsgefallenen

Die restlichen Räume sind jeweils einem Thema gewidmet. Da gibt es den Unkenraum, der das heimische Brauchtum und die Tracht beschreibt. Einzigartig ist hier wohl der ausgestellte Stelzentänzer, den es nur in Unken gibt.  Sepp erzählt uns die Legende über die Entstehung dieses regionalen Brauchs: „Aus dem Trestererbrauch heraus hat sich dieses Unikum entwickelt. Als die Trestergruppe bei Hochwasser kurzerhand mit extra langen Hosen und auf Stelzen von Haus zu Haus ging, um nicht nass zu werden. Die Stelzentänzer kann man heute noch bei manchen Brauchtumsveranstaltungen, wie dem Bauernherbst, bewundern.“

Im oberen Stock ist eine Sonderausstellung der Unkener Schützen untergebracht, die, unter dem Titel „Für Gott, Kaiser und das Vaterland – oder, wann kemma wieda hoam?“, den Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedenkt. Ein lebensgroßes Foto des ehemaligen Gutsbesitzers, dem Perchtbauern, weist den Weg in die Sonderausstellung. „Alleine hier in Unken kamen 61 Soldaten aus dem Krieg nicht mehr heim. Dieser Raum zeigt, dass diese Soldaten nicht bloß Namen auf einem Kriegerdenkmal sind, sondern hinter jedem Foto der Gefallenen eine eigene tragische Geschichte steckt“, weiß Sepp zu berichten. Ein von den Schützen erstellter Kurzfilm gibt einen geschichtlichen Überblick über die historischen Geschehnisse. Beim Betrachten der alten Helme, Uniformen und Ausrüstungsgegenstände – Leihgaben Unkener Familien – bekommen wir Gänsehaut und gehen weiter auf Entdeckungsreise durch das Kalchofengut.

Schmugglerwege auf der Rem

Nach dem Besuch der Sakralkammer betreten wir einen Raum mit einer Kirchenkrippe und der maßgetreuen Darstellung eines landwirtschaftlichen Anwesens mit Bauernhof, Troadkasten, Almhütte, Brechlhütte, Futterhof und vielen weiteren Nebengebäuden. Rund drei Monate hat Sepp an diesem Miniatur-Kunstwerk gebaut, und sogar die einzelnen, für die Region typischen, Zaunarten liebevoll eingearbeitet.

Auf dem Heuboden – der Rem oder Tenn, wie man im Pinzgau sagt – finden wir neben der Geschichte der Wagnerei und Holzwirtschaft auch ein raumfüllendes Modell der Region, in der alle Orte, Berge, Flüsse und Wege zwischen Weißbach im Saalachtal und Weißbach bei Schneizlreuth dargestellt sind. Zu jedem Ort liest man interessante Informationen und Sepp verrät auch schon sein nächstes Projekt: „Demnächst werde ich auf dem Modell alle historischen Schmugglerpfade darstellen.“

Echtes Holzknecht-Muas

Stunden könnten wir noch beim Betrachten der vielen Details und Exponate verbringen, doch Sepp hat eine Überraschung für uns: „Unser alter Holzknecht Bert hat in der alten Rauchkuchl ein echtes Pinzgauer Muas für euch gezaubert. Eine typische Kost der Holzknechte.“ Der Geruch der sehr leckeren – und zugegeben, wenig figurschmeichelnden – Süßspeise erfüllt schon die Rauchkuchl und während wir Bert beim Kochen am offenen Feuer über die Schulter schauen, erzählt er uns Geschichten von den Holztriftern, die früher die gefällten Stämme über die Saalach transportierten.

Es ist schon dunkel, als ich das Eingangstor des Kalchofenguts hinter mir schließe, und ich bin mir sicher, dass es hier noch viele weitere Geschichten zu erfahren gibt. So muss ich nächstes Mal unbedingt fragen, welche Geheimnisse sich hinter der kleinen hölzernen Türe auf der Rem, dem Loch in der Wand der Rauchkuchl oder dem alten Hut an der Decke der Stube verbergen …

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