Rauchnächte
Nach alter Tradition wird in vielen Bauernhäusern im Salzburger Saalachtal in den Rauchnächten zum „Rachn geh“…
… die Räucherpfanne mit Weihrauch und Kräutern gefüllt.
Mit Beginn der Adventzeit bricht die Dunkelheit schon früh über das Salzburger Land herein. Der Schneewind weht von den Gipfeln der Steinberge herunter ins Tal, und vielleicht rüttelt auch schon der erste Wintersturm kraftvoll an den Häusern. Der Duft von Weihnachtskeksen, Kletzenbrot und Bratäpfeln lässt Kindheitserinnerungen wach werden, und die Vorfreude aufs Weihnachtsfest steigt. Der Dezember ist im Salzburger Saalachtal eine Zeit der Mystik und Tradition, in der zu den Rauchnächten auch das Räuchern von Haus, Hof und Stall mit Weihrauch und Kräutern fixer Bestandteil des überlieferten Brauchtums ist.
Das traditionelle Räuchern wird im Salzburger Saalachtal an den drei Rauchnächten – zu Weihnachten, Silvester und Heiligen Drei Könige – noch in vielen Häusern und Höfen praktiziert. Man reinigt mit dem Rauch symbolisch die eigenen vier Wände, für den Abschluss des vergangenen und zur Vorbereitung auf das neue Jahr. Zugleich dankt man mit dem Rosenkranzgebet und bittet um Segen.
Räuchern beim Lutzbauer in Unken
Barbara und Hans Haider bewirtschaften mit ihren drei Kindern den Kräuterhof Lutzbauer am Sonnberg bei Unken. Schon seit vielen Jahren beschäftigen sie sich mit dem Anbau und der Verarbeitung heimischer Heilkräuter. Die Erhaltung des alten Wissens ist den Lutzbauern ein besonderes Anliegen, sie erklären: „Mit jedem Brauch, den wir verlieren, geht ein Stück unserer Kultur verloren.“ An Weihnachten, vor der Bescherung, wenn die ganze Familie zuhause versammelt ist, holt Hans Haider wie jedes Jahr seine alte gusseiserne Räucherpfanne hervor, denn es ist in dieser ersten Rauchnacht Zeit zum „Rachn geh“!
Er erzählt: „Die Kräuter für das Räuchern nehme ich von unserem geweihten Kräuterbuschen. Für diesen Kräuterbuschen sammeln wir in Unken traditionell am Vortag von Maria Himmelfahrt sieben verschiedene Kräuter. Wir binden Königskerze, Johanniskraut, Wacholder, Kunigundenkraut, Fuchskreuzkraut, Schafgarbe und Dost zu einem stattlichen Buschen, den wir am 15. August zur Weihe in die Kirche tragen und anschließend trocknen. Am Heiligen Abend werden die Kräuter fein zerhackt und in drei Portionen aufgeteilt. Ein Teil ist für das Räuchern in den Rauchnächten bestimmt, ein Teil wird am Weihnachtsabend mit Salz ans Vieh verfüttert und der letzte Teil verbleibt als Notfallapotheke fürs kommende Jahr.“
Keiner darf beim „Rachn geh“ fehlen
Wenn der Lutzbauer vor der Bescherung für das Räuchern die Glut aus dem Kachelofen herausholt, ist die ganze Familie Haider zuhause versammelt. Keiner darf beim Räuchern fehlen, denn das würde laut dem Volksglauben Unglück bringen.
Auf die Glut, die bereits mit einer dünnen Ascheschicht bedeckt ist, kommt das Harz des Weihrauchs.
Erst danach streut er die zerhackten Kräuter aus dem Kräuterbuschen in die Pfanne, und schon breitet sich Rauch und der Duft von Weihnachten in der ganzen Stube aus. Mit seinem Hut bedeckt Hans Haider den Rauch, um sich im kommenden Jahr vor Kopfweh zu schützen, und los geht’s durch alle Räume des Lutzguts. Hans Haider geht voran, gefolgt von Barbara und den Kindern. Natürlich wird auch im angrenzenden Stall geräuchert, denn auch vom Vieh soll fürs kommende Jahr alles Unglück abgewendet werden. Dieses Ritual wird in den weiteren Rauchnächten, in der Silvesternacht und an Heiligen Drei Könige, wiederholt, um das Haus zu reinigen und um Segen für das kommende Jahr zu erhalten.
Die Lutzbauern beschäftigen sich seit ihrem Einzug am Lutzgut im Jahr 2000 intensiv mit dem Räuchern. Barbara Haider erzählt: „Als wir den alten Bergbauernhof, der teilweise aus dem 15. Jahrhundert stammt, bezogen hatten, bemerkten wir ein schlechtes Wohnklima, und eine Bekannte riet uns, das Haus auszuräuchern. Wir befolgten den Rat und räucherten mehrmals mit Salbei und Weihrauch. Bald merkten wir eine Veränderung und begannen uns am Hof wohlzufühlen. Aufgrund dieses Erfolgs in den eigenen vier Wänden beschäftigten wir uns darauf intensiv mit dem Räuchern.“
Räuchern gegen „dicke Luft“
Geräuchert wird also nicht nur in den Rauchnächten. Wenn die Stimmung einmal gereizt ist, „dicke Luft“ förmlich spürbar ist, oder vor einem nahenden Gewitter Spannung in der Atmosphäre liegt – auch dann kann man zur Räucherpfanne greifen und nach alter Tradition mit Weihrauch und Kräutern die Luft reinigen. „Der Weihrauch wirkt desinfizierend, erfrischt und ist stimmungsaufhellend. Auch das Johanniskraut wirkt positiv auf die Psyche und der Wacholderrauch vertreibt das Böse“, erklärt die kräuterkundige Lutzbäuerin.
Kräuterei am Lutzgut
In der Kräuterei am Lutzgut sind zahlreiche Kräuterprodukte aus dem eigenen Kräutergarten erhältlich. Während der Sommermonate veranstalten Barbara und Hans Haider Kräuterwanderungen für Erwachsene und Kinder entlang des Heilkräuterweges. In Seminaren erfährt man über die Herstellung von Tinkturen und Salben und natürlich alles über das Räuchern mit heimischen Harzen und Kräutern.